Der schwere Stand des Basketballs

TG Nürtingen gewinnt das Landesliga-Topspiel gegen den Tabellenführer TSB Schwäbisch Gmünd vor überschaubarer Kulisse

Von Jens S. Vöhringer, 
Erschienen in der Nürtinger Zeitung, 13.11.2018

Basketball in der Bundesrepublik, das passt von jeher nicht so recht zusammen. Der bisher einzige Gewinn der Europameisterschaft 1993 im eigenen Land war bei den erfolgsverliebten deutschen Sportfans schnell vergessen, ein Dirk Nowitzki hat seine besten Tage längst hinter sich. In Nürtingen bietet die Turngemeinde seit über drei Jahrzehnten Basketball an. Der hinkt im Vergleich zu den alteingesessenen Populärsportarten hierzulande aber immer noch weit hinterher. Die vor allem in den Vereinigten Staaten, Ost- und Südeuropa so beliebte Sportart schafft es auch in der Hölderlinstadt nicht, so richtig durchzustarten – zumindest, was die Zuschauerzahlen angeht. Das musste man auch beim ansehnlichen Topspiel der Landesliga am frühen Samstagabend mal wieder feststellen.

Kurz vor dem Sprungball des Spitzenspiels zwischen Nürtingern und Schwäbisch Gmündern, das die Gastgeber letztlich überraschend hoch mit 97:76 (44:42) für sich entschieden, haben sich nicht viel mehr als eine Handvoll Interessierte in der Sporthalle des Hölderlin-Gymnasiums eingefunden. Die schlimmsten Befürchtungen der Nürtinger bleiben aber aus. Mächtig haben sie die Werbetrommel gerührt, nach und nach kommen doch noch immer mehr Zuschauer. In der fünften Minute müssen einige Jugendspieler sogar Hand anlegen und mehr Bänke an der Außenlinie aufstellen. Als die TG und der TSB voll zugange sind, können dann immerhin knapp 100 Besucher gezählt werden. Ein für die Verantwortlichen erfreulicher Wert. Aber auch der liegt weit hinter dem, was andere Sportarten auf diesem Niveau an Zuspruch erfahren.
Woran es liegt, dass es auf den Fußballplätzen besuchermäßig heiß hergeht sowie in und um Nürtingen vorwiegend im Handball die Hallen oftmals voll sind und sich die Korbjäger meist mit Zuschauerzahlen im mittleren zweistelligen Bereich zufrieden geben müssen, ist schwer zu sagen. Am Eintrittspreis sicher nicht. Ein Sitzplatz in der warmen und trockenen Spielstätte ist gratis. Die HöGy-Halle, für Zuschauer nicht unbedingt einladend, ist sicher ein Grund. „Eine kleine Tribüne könnte Abhilfe schaffen“, meint Jörg Fischer, ein Mann der ersten Stunde im TG-Basketball. Aus „ihrer“ Sporthalle raus wollen Fischer und Co nämlich eigentlich gar nicht. Sie haben sich daran gewöhnt, sie betreiben an den Heimspieltagen auch einen gewissen Aufwand, um ihren Gästen etwas zu bieten. Es gibt zu essen, zu trinken – und zwei Mannschaften auf ansprechendem Niveau. Die Herren wollen mit ihrer besten Mannschaft der mittlerweile schon 33-jährigen Abteilungsgeschichte erstmals in die Oberliga hoch, die Damen spielen dort, seit sich ihnen 2015 acht Spielerinnen des TSV Jesingen anschlossen.

„Die Regeln sind dem ein oder anderen vielleicht zu kompliziert“, mutmaßt Abteilungsleiter Heiner Müllerschön. Und benennt damit wohl eines der grundlegendsten Probleme. Basketball bringt rein sportlich mit seiner Athletik, seiner Schnelligkeit und Technik nämlich alles mit. Aber die Pfiffe der Unparteiischen sind für Außenstehende nicht immer nachvollziehbar. An den Regeln wird seit Jahrzehnten zudem stets getüftelt. Um das Spiel schneller und attraktiver zu machen. Durchschaubarer ist es dadurch aber nicht geworden. Dennoch, Basketball besticht auch durch seine Spannung. Letztere war im Landesliga-Topspiel am Samstag allerdings nur in den ersten drei Vierteln gegeben.

Mit einem 97:76-Erfolg gegen den TSB Schwäbisch Gmünd hatten wohl nicht einmal die größten Optimisten im Nürtinger Lager gerechnet. Die in der zweiten Halbzeit teilweise wie entfesselt spielende Turngemeinde deklassierte den bisherigen Spitzenreiter, fügte diesem die erste Saisonniederlage zu und übernahm selbst den Platz an der Sonne. „Ich bin sehr zufrieden“, resümierte TG-Trainer Daniel Weingarten, „auch angesichts des hohen Sieges.“ Die 21 Punkte Differenz können schließlich noch von großer Bedeutung sein. Am Saisonende zählt bei Punktgleichheit der direkte Vergleich. Der wird Weingartens Team vom TSB kaum mehr zu nehmen sein. Daher habe er am Ende auch nicht allzu viel gewechselt, und setzte fast über die kompletten 40 Minuten auf seine bewährte Zehn-Mann-Rotation.

Die tat sich zu Beginn noch ziemlich schwer gegen die von Spielertrainer und -macher Viktor Buchmiller angeführten Gmünder. Der frühere Zweitligaspieler der Crailsheim Merlins, Center Markus Bretz, einst ebenfalls in der Zweiten Liga unterwegs, und ihre Mitspieler machten es den Hausherren nicht einfach und führten nach dem ersten Viertel 23:21. Zur Pause hatte die TG den Spieß umgedreht und lag 44:42 vorne.

„Bretz haben wir nicht in den Griff bekommen“, sagte Weingarten. Fortan ließ er den TSB-Topscorer doppeln und sorgte damit nicht nur bei ihm für Verwirrung. „Das ist schon eine Leistung, so eine routinierte Mannschaft aus der Ruhe zu bringen“, lobte der TG-Trainer seine Truppe. Die zog kurz vor Ende des dritten Abschnitts auf 66:57 davon und führte vor dem Schlussviertel 66:60. In Letzterem gab es dann kein Halten mehr.

Während die Turngemeinde weiter gnadenlos das Tempo hochhielt, ließen die Gäste immer mehr nach. Auch, weil sie ihren Spielertrainer schmerzlich vermissten, der nach seinem vierten persönlichen Foul lange auf der Bank saß. Seine Rückkehr brachte aber auch keine Wende mehr. Die TG lag in der 36. Minute bereits vorentscheidend 87:68 vorne.

„Wir sind nicht arg enttäuscht. Die Jungs wollen Spaß haben und Basketball spielen“, blickte TSB-Coach Buchmiller hinterher auf die erste Saisonniederlage. Das alles trifft natürlich auch auf die Nürtinger zu – am Saisonende soll dann aber möglichst außerdem noch der erstmalige Oberliga-Aufstieg stehen.

TG Nürtingen – TSB Schwäbisch Gmünd 97:76
TG Nürtingen: Abele (9), Sigel, Fischer (16), Tussetschläger (9), Karahan, Kiriakidis (8), Eren Sengül (6), Wörner (16), Schweinfort (1), Ratzkowski (6), Unterseher, Akant Sengül (26).
TSB Schwäbisch Gmünd: Pavlidis, Lovic (7), Cholkin, Buchmiller (13), Heinrich (5), Bretz (21), Malsam (9), Fischer (18), Filipovic, Askraba (3).